Vorweggenommene Erbfolge: Schenkungen, Klauseln, Fristen

Sercan
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Letzte Überarbeitung am 27. März 2023
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In bestimmten Fällen kann es dazu kommen, dass Erblasser:innen noch zu Lebzeiten Teile ihres Vermögens auf zukünftige Erb:innen übertragen möchten. Dabei müssen allerdings einige Faktoren berücksichtigt werden. Wir zeigen dir daher nicht nur die Unterschiede zwischen einer vorweggenommenen Erbfolge und einer Schenkung auf, sondern gehen auch auf die Klauseln eines Schenkungsvertrags ein und erläutern deren Bedeutung. Weiterhin erfährst du hier, was für die vorzeitige Übertragung von Vermögensgegenständen spricht und was dagegen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Von einer vorweggenommenen Erbfolge spricht man dann, wenn zukünftige Erblasser:innen einen Teil ihres Vermögens bereits zu Lebzeiten an zukünftige Erb:innen übertragen.
  • In den meisten Fällen wird das Vermögen im Rahmen einer Schenkung übertragen. Dabei gelten großzügige Freibeträge, sodass sich steuerliche Vorteile ergeben.
  • Die Freibeträge gelten für einen Zeitraum von 10 Jahren. Nach Ablauf dieser Frist können sie erneut in Anspruch genommen werden.
  • Gegen eine vorzeitige Übertragung von Vermögenswerten spricht, dass innerhalb der Erbengemeinschaft Streit entstehen kann, wenn einzelne Erb:innen bereits zu Lebzeiten von Erblasser:innen einen Teil des Vermögens erhalten.
  • Erblasser:innen können im Schenkungsvertrag festhalten, dass das übertragene Vermögen auf den Pflichtteil der Beschenkten angerechnet wird, sodass sich deren Anspruch entsprechend verringert.

Definition, Bedeutung und Ziele der vorweggenommenen Erbfolge

Es gibt keine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Definition der vorweggenommenen Erbfolge. Dieser Begriff wird allerdings in § 593a BGB im Rahmen der Betriebsübergabe in der Landwirtschaft erwähnt. Aus der Perspektive des Bundesgerichtshofs stellt die vorweggenommene Erbfolge die Übertragung von Vermögen durch zukünftige Erblasser:innen auf zukünftige Erb:innen dar. In der Regel kommt es hierbei zur Übergabe von einzelnen, aber besonders wertvollen Vermögensgegenständen, wie zum Beispiel einer Immobilie. Im juristischen Sinne handelt es sich bei diesen Übertragungen um Schenkungen gemäß § 516 BGB.

Durch diese Zuwendungen wird die Erbfolge ohne Testament allerdings nicht verändert. Ein Ziel der vorweggenommenen Erbfolge kann im Erhalt des Vermögens begründet liegen. Aber auch die Versorgung der Schenkenden sowie ihrer Angehörigen kann der Zweck der Übertragung von Vermögenswerten sein, wenn diese an bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Zudem ist unter Umständen eine Reduzierung der Steuerlast möglich, was ebenfalls ein Ziel der vorweggenommenen Erbfolge sein kann.

  • Vermögenserhalt
  • Versorgung von Schenkenden
  • Reduktion der Steuerlast
Hinweis

Unter dem Begriff „vorweggenommene Erbfolge“ versteht man Vermögensübertragungen, die zu Lebzeiten von Erblassser:innen erfolgen.

Abgrenzung zur Schenkung

Da man alle Übertragungen von Vermögenswerten zu Lebzeiten von Erblasser:innen unter der vorweggenommenen Erbfolge versteht, fallen auch Schenkungen unter diesen Begriff. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Schenkung mit der Erwartungshaltung verknüpft ist, dass die Beschenkten das Vermögen bei Eintritt des Erbfalls sowieso erhalten würden. In diesem Fall würde das Erbrecht der Beschenkten vorweggenommen und bereits vor Eintritt der Erbschaft erfüllt. Dementsprechend stellt eine Schenkung meist automatisch eine vorweggenommene Erbfolge dar – es sei denn, die Beschenkten gehören nicht zu den zukünftigen Erb:innen der Schenkenden.

Für wen ist eine vorweggenommene Erbfolge sinnvoll?

Eine vorweggenommene Erbfolge kann dann sinnvoll sein, wenn Erblasser:innen diese dafür nutzen möchten, um die eigene Versorgung oder die von nahen Angehörigen sicherzustellen. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn Erblasser:innen auf Pflege angewiesen oder erkrankt sind. Denn dann können sie als Gegenleistung für die vorzeitige Übertragung der Vermögenswerte verlangen, dass sich die Beschenkten um ihre Pflege kümmern und ihre Versorgung gewährleisten.

Die vorweggenommene Erbfolge eignet sich auch gut für Besitzer:innen von Unternehmen oder Immobilien. Denn hier kann es im Erbfall schnell dazu kommen, dass sich die Erb:innen um den Vermögenswert streiten und keine Einigung erzielen können. Dementsprechend können Eigentümer:innen bereits zu Lebzeiten die Übertragung der Vermögensgegenstände veranlassen, sodass diese nicht im Rahmen von Unstimmigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft liquidiert werden.

Gründe für eine vorweggenommene Erbfolge

Es kann mehrere Gründe dafür geben, dass sich Erblasser:innen für eine vorweggenommene Erbfolge entscheiden. Auf diese Weise können sie zum Beispiel zukünftig zu zahlende Steuern verringern. Schließlich fällt das Vermögen am Ende der Lebenszeit deutlich höher aus und es müssen dementsprechend mehr Steuern gezahlt werden. Zudem kann eine vorzeitige Übertragung bestimmter Vermögenswerte dafür sorgen, dass diese erhalten bleiben. Denn im Erbfall sind sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft unter Umständen nicht darüber einig, wie die einzelnen Nachlassgegenstände aufgeteilt werden sollen.

Das kann nicht nur zu Streitigkeiten, sondern auch dazu führen, dass der Vermögenswert (beispielsweise eine Immobilie oder ein Familienbetrieb) liquidiert wird und die Einnahmen anteilig an die einzelnen Miterb:innen ausgezahlt werden. Wenn Erblasser:innen einen solchen Fall vermeiden möchten, weil der Betrieb oder die Immobilie nicht veräußert werden soll, können sie die betreffenden Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten unter den zukünftigen Erb:innen aufteilen. Auch die Minderung des Pflichtteils ist über eine vorweggenommene Erbfolge möglich.

  • Geringere steuerliche Belastung
  • Beibehaltung der Vermögensgegenstände
  • Minderung des Pflichtteils
  • Pflege der Schenkenden

Argumente dagegen

Eine vorweggenommene Erbfolge führt allerdings nicht nur zu Vorteilen, sondern kann unter Umständen auch nachteilig sein. Gegen eine vorzeitige Übertragung von Vermögenswerten spricht, dass die Bedingungen der Schenkung nur schwer durchgesetzt werden können. Das liegt hauptsächlich daran, dass eine Schenkung nur in Ausnahmefällen wieder rückgängig gemacht werden kann. Zudem können Pflichtteilsberechtigte nicht von ihrem Anspruch auf den Pflichtteil ausgeschlossen werden.

Grundsätzlich gilt zwar, dass die Miterb:innen keinen Einfluss auf die Entscheidungen von Erblasser:innen nehmen können, wenn diese einen Teil des Vermögens bereits zu Lebzeiten verschenken möchten. Allerdings steht den Erb:innen beim Eintreten des Erbfalls zumindest der Pflichtteil zu, der ausgezahlt werden muss. Dabei können insbesondere dann Probleme auftreten, wenn die beschenkten Erb:innen das Geld bzw. den Vermögenswert nicht mehr besitzen und keine Mittel haben, um die Miterb:innen auszuzahlen. Dadurch können zum einen Streitigkeiten entstehen. Zum anderen können Schenkungen im Extremfall bereits noch zu Lebzeiten der Erblasser:innen angefochten werden.

  • Bedingungen schwer durchsetzbar
  • Pflichtteilsrecht kann nicht umgangen werden
  • Begünstigung von Streit innerhalb der Erbengemeinschaft
  • Schenkungen zu Lebzeiten können angefochten werden

Steuerliche Vorteile und Freibeträge

Die Übergabe von Vermögenswerten zu Lebzeiten von Erblasser:innen kann sich positiv auf die Höhe der Steuern auswirken. Dies liegt vor allem an den recht hohen Freibeträgen, die geltend gemacht werden können. Die genaue Höhe des Freibetrags ist dabei abhängig vom bestehenden Verwandtschaftsgrad zwischen Erblasser:innen und Beschenkten. Der höchste Freibetrag ist möglich, wenn der / die eigene Ehepartner:in beschenkt wird.

In diesem Fall müssen bis zu einem Betrag in Höhe von 500.000 Euro keine Steuern gezahlt werden. Bei Kindern und Stiefkindern liegt der Freibetrag bei 400.000 Euro. Bei Schenkungen an Enkelkinder müssen bis zu einer Summe von 200.000 Euro keine Steuern abgeführt werden. Gehören Beschenkte nicht zu einer der genannten Personengruppen, liegt der Freibetrag nur noch bei 20.000 Euro. Dementsprechend kann ein Teil des Vermögens bereits steuerfrei übergeben werden.

Folgen für die Erb:innen

In der Regel kommt es im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge zu einem Erbverzicht. Diesen muss die beschenkte Person unterzeichnen, um den Anteil des Vermögens bereits zu Lebzeiten des / der Erblasser:in erhalten zu können. Dementsprechend kommt es häufig dazu, dass beschenkte Erb:innen beim Tod von Erblasser:innen nicht mehr berücksichtigt werden, weil kein Anspruch auf den Nachlass mehr besteht. Wenn nur sichergestellt werden soll, dass ein:e Erb:in einen bestimmten Vermögensgegenstand erhält, kann auch ein sogenanntes Vermächtnis erstellt werden. Nach dem Versterben des / der Erblasser:in würde dann der entsprechende Vermögenswert in den Besitz der begünstigten Person übergehen.

Wichtige Klauseln und Pflichten: Was gilt es zu beachten?

Es gibt einige wichtige Klauseln, die je nach individuellem Fall in den Schenkungsvertrag eingebaut werden sollten. Zudem existieren bestimmte Pflichten, denen nachgekommen werden muss. In den nachfolgenden Abschnitten gehen wir genauer auf diese Faktoren ein:

Pflichtteilsanrechnungsklausel

Die sogenannte Pflichtteilsanrechnungsklausel sollte dann in den Schenkungsvertrag aufgenommen werden, wenn ein Kind zwar über das Testament enterbt werden soll, es aber trotzdem Anspruch auf den Pflichtteil am Erbe hat. Im Vertrag kann dann festgehalten werden, dass die erhaltene Zuwendung den künftigen Pflichtteil des Kindes entsprechend mindert.

Rückfallklausel

Grundsätzlich gilt, dass eine Schenkung nicht zurückgefordert werden kann. Es gibt allerdings Ausnahmen von dieser Regelung – beispielsweise dann, wenn eine sogenannte Rückfallklausel in den Vertrag integriert wird, die eine Rückübertragung ermöglichen kann. Dementsprechend sorgt die Rückfallklausel dafür, dass die verschenkten Vermögenswerte unter bestimmten Voraussetzungen wieder an den / die Schenkende:n zurückübertragen werden.

Erbteilsanrechnungsklausel

Mithilfe einer Erbteilsanrechnungsklausel können Erblasser:innen Streit unter den Erb:innen vorbeugen, indem sie über diese Klausel bestimmen, dass sich die Beschenkten die zu Lebzeiten erhaltene Schenkung auf ihren Erbteil anrechnen lassen müssen. Wenn kein Testament besteht, sondern das Vermögen anhand der gesetzlichen Erbfolge aufgeteilt wird, finden Schenkungen keine Berücksichtigung. Das bedeutet, dass ohne eine solche Klausel eine Situation entstehen würde, in der das Vermögen unter den Erb:innen so aufgeteilt wird, als hätte die Schenkung nie stattgefunden.

Hinweis

Eine Erbteilsanrechnungsklausel kann für Fairness sorgen, da hierdurch bestimmt wird, dass die bereits zu Lebzeiten erhaltenen Zuwendungen bei einer Erbschaft berücksichtigt werden.

Ausgleichspflicht

Wenn es sich um Abkömmlinge von verstorbenen Schenker:innen handelt, besteht eine sogenannte Ausgleichspflicht. Diese gilt allerdings nur dann, wenn das Erbrecht der Nachkommen von Erblasser:innen auf der gesetzlichen Erbfolge basiert. Wenn die Nachkommen jedoch nicht per Gesetz zu den Erb:innen gehören, sondern zum Beispiel über ein Testament als solche benannt wurden, gilt die Ausgleichspflicht grundsätzlich nicht. Das liegt darin begründet, dass davon ausgegangen wird, dass Erblasser:innen die Zuwendungen bereits zu Lebzeiten berücksichtigt haben.

Hinweis

Andere als die genannten Personen sind nicht zu einem Ausgleich verpflichtet.

Anrechnung auf den Pflichtteil

Eine vorweggenommene Erbfolge kann auch im Zusammenhang mit einer Enterbung durchgeführt werden. Wenn Kinder von Erblasser:innen bereits zu deren Lebzeiten ihren Teil des Erbes erhalten haben, können sie über das Testament enterbt werden. Die Enterbten haben aber trotzdem noch einen Anspruch auf den Pflichtteil. Denn die Anrechnung einer Schenkung auf den Pflichtteil erfolgt nicht automatisch.

Stattdessen müssen Erblasser:innen bereits bei der Schenkung anordnen, dass diese auf den Erbteil der Beschenkten angerechnet wird. In diesem Fall wird der Wert der Schenkung zum Nachlass hinzugerechnet. Anhand dieses höheren Nachlasswerts wird dann der Wert des Pflichtteils berechnet. Im letzten Schritt erfolgt noch der Abzug der Zuwendung. Dies führt dazu, dass beschenkte Erb:innen bei der Erbschaft einen geringeren Pflichtteil erhalten werden, da die Schenkung von diesem abgezogen wird. Wenn sich Ehepartner:innen im Rahmen eines Berliner Testaments gegenseitig als Alleinerb:innen einsetzen, können sie so den Pflichtteilsanspruch der Kinder unabhängig von einer Schenkung umgehen.

10-Jahres-Frist

Gemäß § 14 ErbStG gelten die Freibeträge einer Schenkung für einen Zeitraum von 10 Jahren. Das bedeutet, dass die bereits genannten Beträge alle 10 Jahre steuerfrei verschenkt werden können. Wenn du zum Beispiel deinem Kind ein größtmögliches Vermögen steuerfrei vererben möchtest, kannst du bereits zu deinen Lebzeiten Schenkungen durchführen. Alle 10 Jahre kannst du dem Kind 400.000 Euro vermachen, ohne dass hierfür Steuern anfallen würden. Innerhalb von 20 Jahren könntest du deinem Kind auf diese Art und Weise bereits 800.000 Euro in Form von Zuwendungen bereitstellen. Dafür würdest du unter Berücksichtigung der Fristen keinen einzigen Euro an Steuern zahlen müssen.

Fazit

Eine genaue Definition für den Begriff „vorweggenommene Erbfolge“ gibt es nicht. Grundsätzlich wird dieser Begriff dann verwendet, wenn Erblasser:innen noch zu ihren Lebzeiten zukünftigen Erb:innen einen Teil ihres Vermögens vermachen möchten. Dies geschieht meist in Form von Schenkungen. Besonders vorteilhaft sind hierbei die hohen Freibeträge, die alle 10 Jahre genutzt werden können. Das führt dazu, dass nahen Angehörigen bereits vor einer Erbschaft ein Teil des Vermögens steuerfrei übertragen werden kann.

FAQ: Vorweggenommene Erbfolge

Ist die vorweggenommene Erbfolge identisch mit einer Schenkung?

Eine vorweggenommene Erbfolge stellt in den meisten Fällen eine Schenkung dar. Allerdings spricht man nur dann von einer vorweggenommenen Erbfolge, wenn das Verhältnis zwischen Schenker:innen und Beschenkten Erblasser:in und Erb:in ist.

Wird eine Schenkung zu Lebzeiten auf das Erbe angerechnet?

Eine Schenkung zu Lebzeiten kann auf das Erbe angerechnet werden, wenn Erblasser:innen dies im Schenkungsvertrag festhalten.

Wann beginnt die 10-Jahres-Frist bei einer vorweggenommenen Erbfolge?

Maßgeblich für den Beginn der Frist ist der Tag, an dem die Schenkung ausgeführt wird.

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Sercan Kahraman

Veröffentlicht von

Ich bin seit Jahren Privatanleger und bin bei OnlineBanken.com der Projektleiter sowie dafür zuständig, dass die Inhalte im Internet gut gefunden und oft gelesen werden.