Pflichtteilsanspruch: Alles Wichtige auf einen Blick

Sercan
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Letzte Überarbeitung am 19. April 2023
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Der Pflichtteilsanspruch sorgt dafür, dass bestimmte Personengruppen selbst bei einer Enterbung noch einen Anteil am Vermögen von Erblasser:innen erhalten können. In diesem Artikel klären wir die Frage, wer Anspruch auf den Pflichtteil hat und wie hoch dieser ausfällt. Zudem erläutern wir, welche Fristen und Formalien eingehalten werden müssen, damit du deinen Pflichtteil erfolgreich einfordern kannst. Außerdem gehen wir darauf ein, unter welchen Umständen es möglich ist, den Pflichtteilsanspruch dennoch zu umgehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Pflichtteilsanspruch sichert nahen Verwandten verstorbener Personen einen bestimmten Anteil am Vermögen, auch wenn diese von den Erblasser:innen enterbt worden sind.
  • Der Anspruch auf die Herausgabe des Pflichtteils besteht gegenüber den Erb:innen. Handelt es sich um eine Erbengemeinschaft, kannst du dich an eine:n der Miterb:innen wenden.
  • Der Pflichtteilsanspruch muss innerhalb von 3 Jahren geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist verjährt der Anspruch.
  • Zu den Pflichtteilsberechtigten zählen hauptsächlich Ehepartner:innen, Eltern und Kinder. Aber auch Enkel:innen sowie Urenkel:innen können anspruchsberechtigt sein.
  • Geschwister und Großeltern von Erblasser:innen sind dagegen nicht anspruchsberechtigt und können keinen Pflichtteil einfordern.

Pflichtteilsanspruch: Definition und Bedeutung

Beim Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen Anspruch naher Angehöriger gegenüber Erblasser:innen. Mithilfe dieses Anspruchs können sie die gesetzlich festgelegte Mindestbeteiligung am Nachlass erhalten. Durch den Pflichtteil schützt der Gesetzgeber nahe Verwandte vor der Willkür der Erblasser:innen.

Wann besteht der Anspruch?

Wenn du zu den Pflichtteilsberechtigten gehörst, hast du immer einen Anspruch auf den Pflichtteil vom Erbe. Das gilt selbst dann, wenn du von dem / der Erblasser:in enterbt worden bist. Der Anspruch besteht erst dann, wenn der Erbfall eingetreten ist und der Nachlass aufgeteilt wird. Zu Lebzeiten von Erblasser:innen besteht keinerlei Anspruch auf deren Vermögen.

Anspruchsberechtigte

Haben Erblasser:innen nahe Verwandte vom Erbe ausgeschlossen, haben diese dennoch einen Anspruch auf einen bestimmten Anteil des Vermögens. Zu den Anspruchsberechtigten gehören die nächsten Angehörigen gemäß § 2303 BGB. Hierbei handelt es sich um Ehepartner:innen, Eltern und Kinder von Erblasser:innen.

Was die Kinder betrifft, spielt es keine Rolle, ob diese adoptiert wurden und somit kein Teil der Blutlinie der Erblasser:innen sind. Ehepartner:innen haben nur dann einen Anspruch auf den Pflichtteil, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes der Erblasser:innen noch Bestand hatte. Die Eltern können zu den Anspruchsberechtigten gehören, wenn die Erblasser:innen selbst keine Kinder gezeugt oder adoptiert haben. Unter Umständen haben auch Enkel- und Urenkelkinder einen Pflichtteilsanspruch – dies ist dann der Fall, wenn deren Eltern nicht mehr leben und sie von der Erbfolge ausgeschlossen wurden.

Hinweis

Weder Großeltern noch Geschwister der verstorbenen Person haben Anspruch auf den Pflichtteil.

Pflichtteilsanspruch trotz Erbausschlagung

Wenn Pflichtteilsberechtigte eine Erbschaft ausschlagen, haben sie im Regelfall ihren Pflichtteilsanspruch verloren. Es gibt allerdings Ausnahmen von dieser Regelung. Eine dieser Ausnahmen ergibt sich, wenn sich der / die überlebende Ehepartner:in für die güterrechtliche Lösung entscheidet, bei welcher der Zugewinnausgleich geltend gemacht wird.

Eine weitere Ausnahme besteht dann, wenn Pflichtteilsberechtigte durch die Ernennung eines / einer Testamentsvollstrecker:in, eines / einer Nacherb:in oder durch eine Teilungsanordnung eingeschränkt werden und deshalb den ihnen zugedachten Erbteil ausschlagen. Dies gilt auch dann, wenn Erb:innen mit einer Auflage oder einem Vermächtnis beschwert werden. Den Pflichtteil trotz Ausschlagung einfordern können zudem Pflichtteilsberechtigte, die lediglich als Nacherb:innen eingesetzt sind und entsprechend die Nacherbschaft ausschlagen.

Hinweis

Dies gilt unabhängig davon, ob Pflichtteilsberechtigten die Erbschaft aufgrund der gesetzlichen Erbfolge oder eines Testaments zustand.

Höhe und Umfang des Pflichtteilsanspruchs

Die Höhe und der Umfang des Pflichtteilsanspruchs ergibt sich aus dem Wert des gesamten Nachlasses und der sogenannten Pflichtteilsquote. Gemäß § 2314 BGB können Pflichtteilsberechtigte von den Erb:innen verlangen, dass diese den Wert des Nachlasses ermitteln und ihnen anschließend mitteilen. Sie können zudem erwirken, dass die Erb:innen ein sogenanntes Nachlassverzeichnis erstellen, in welchem die Vermögenswerte aufgelistet sind. Sobald klar ist, wie groß das zu vererbende Vermögen des / der Erblasser:in ausfällt, kannst du mithilfe der Pflichtteilsquote deinen Anteil am Erbe ermitteln. Hierfür musst du nur den Wert der Erbschaft mit dieser Quote multiplizieren und erhältst anschließend den Wert, der dir zusteht.

Berechnung der Pflichtteilsquote

Die Höhe des Pflichtteils beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Um die Berechnung der Pflichtteilsquote durchführen zu können, müssen zunächst einmal alle Verwandten berücksichtigt werden. Das gilt auch für den Fall, dass diese von der Erbfolge nach Gesetz ausgeschlossen wurden, wie beispielweise durch eine Enterbung oder das Ausschlagen der Erbschaft.

Der besseren Verständlichkeit halber erläutern wir die Berechnung der Pflichtteilsquote anhand eines konkreten Beispiels: Wenn ein Vater von 3 Kindern verstirbt, nachdem seine Ehefrau ebenfalls bereits verstorben ist, wird das Erbe auf die Kinder aufgeteilt. Nun verzichtet allerdings ein Kind auf das Erbe und ein anderes Kind wurde vom Vater enterbt.

Dementsprechend gibt es nur ein Kind, das Erb:in ist. Das enterbte Kind kann von dem / der Erb:in allerdings die Auszahlung des Pflichtteils verlangen. Um die genaue Quote zu ermitteln, die der / die Enterbte verlangen kann, müssen im ersten Schritt die gesetzlichen Erb:innen ermittelt werden. Dies sind grundsätzlich alle 3 Kinder, sodass im Normalfall (ohne Testament) per Gesetz jedes Kind ein Drittel des Nachlasses erhalten würde. Das Kind, das auf das Erbe verzichtet hat, erhält allerdings keinen Anteil, sodass vom Gesetz her den anderen beiden Kindern jeweils die Hälfte zusteht. Ohne Enterbung würden somit beide den gleichen Anteil am Vermögen erhalten. Allerdings steht dem enterbten Kind nur der Pflichtteil zu, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt. Die Hälfte von der Hälfte ist ein Viertel, sodass die Pflichtteilsquote in diesem Fall bei 25 % liegt.

Pflichtteilsanspruch geltend machen

Wenn du über einen Pflichtteilsanspruch verfügst und diesen geltend machen möchtest, musst du dich direkt an den / die Erb:in bzw. die Erbengemeinschaft wenden. Du hast in einem solchen Fall das Recht, von den Erb:innen eine Auskunft über die Höhe des zu vererbenden Vermögens zu erhalten. Auf Basis der Vermögensbewertung kannst du anhand der Pflichtteilsquote herausfinden, wie groß dein Anteil an der Erbschaft ausfällt.

Dabei sollte auch ein Nachlassverzeichnis angefordert und anschließend sorgfältig überprüft werden – denn der Nachlass kann auch zu niedrig angesetzt werden, sodass du weniger Geld erhältst. Um dir den Pflichtteil auszahlen zu lassen, musst du dich wieder an die Erb:innen wenden. Diese sind dazu verpflichtet, dir deinen Anteil auszuzahlen. Sollten sie dieser Verpflichtung jedoch nicht nachkommen, kannst du deinen Anspruch auch gerichtlich durchsetzen lassen. In diesem Fall wird ein Nachlassgericht deinen Anspruch prüfen und anschließend anordnen, dass die Erb:innen dir deinen Pflichtteil auszahlen müssen.

Fälligkeit des Pflichtteils

Sobald ein:e Erblasser:in verstirbt, wird auch der Pflichtteilsanspruch fällig. Pflichtteilsberechtigte müssen also nicht erst abwarten, bis die Erbschaft unter den Miterb:innen aufgeteilt wurde. Sie können die Auskunft über den Nachlass und die Zahlung ihres Anteils also sofort verlangen.

Können Erb:innen die Auskunftserteilung oder die Auszahlung nicht rechtzeitig durchführen, stehen Pflichtteilsberechtigten gemäß §§ 286 und 288 BGB Verzugszinsen zu. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Erbschaft hauptsächlich aus einem Unternehmen oder einer Immobilie besteht. In diesem Fall muss den Erb:innen Zeit eingeräumt werden, um den Vermögensgegenstand zu veräußern. Sie müssen die Immobilie also erst zu Geld machen, um dich auszahlen zu können.

Hinweis

Mit Eintritt des Erbfalls kann der Pflichtteilsanspruch zudem übertragen und weitervererbt werden.

Dauer des Anspruchs und Verjährung

Du kannst den Pflichtteilsanspruch gemäß § 195 BGB innerhalb von 3 Jahren geltend machen. Dabei beginnt diese Frist erst bei Abschluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Berechtigte Kenntnis über diesen Anspruch erlangt haben. Nach Ablauf der Frist verjährt der Anspruch und kann nicht mehr geltend gemacht werden.

Beantragung

Der Pflichtteil muss schriftlich bei dem / der Erb:in oder der Erbengemeinschaft eingefordert werden. Dabei ist es grundsätzlich egal, an welches Mitglied der Erbengemeinschaft du dich wendest. Wichtig ist nur, dass es sich um eine:n rechtmäßigen Erb:in handelt. Der / die von dir aufgeforderte Erb:in muss sich dann darum kümmern, dass du den Pflichtteil erhältst. Wichtig ist allerdings, dass du die genaue Höhe des geforderten Pflichtteils angibst. Es reicht nicht aus, dass du den / die Erb:in lediglich dazu aufforderst, dir den Pflichtteil auszuzahlen. Dementsprechend musst du dir erst einmal eine Auskunft über den Nachlass geben lassen, um die genaue Höhe des Pflichtteils ermitteln zu können.

Hinweis

Bei einem Pflichtteilsergänzungsanspruch ist es nicht egal, an welche:n Erb:in du dich wendest, denn dieser richtet sich an die Person, die von dem / der Erblasser:in beschenkt wurde.

Pflichtteilsanspruch umgehen

Der Pflichtteil kann zum Beispiel im Rahmen eines Berliner Testaments umgangen werden. Hierbei setzen 2 Ehepartner:innen ein Testament auf, in welchem sie sich gegenseitig als Alleinerb:innen deklarieren. Über die Pflichtteilsklausel wird vermieden, dass die Kinder bereits beim ersten Erbfall den Pflichtteil verlangen.

Des Weiteren gibt es bestimmte Bedingungen, unter denen der Pflichtteilsanspruch entzogen werden kann. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein schuldhaftes Vergehen gegenüber einem / einer Erblasser:in vonseiten eines / einer Pflichtteilsberechtigten vorliegt und entsprechend eine Gefährdung vorliegt. Auch ein Verbrechen gegenüber Erblasser:innen oder nahen Angehörigen kann zum Verlust des Anspruchs führen.

Fazit

Der Gesetzgeber möchte nahe Verwandte von Erblasser:innen vor Willkür schützen und hat daher den Pflichtteil am Erbe integriert. So sollen nahe Angehörige auch dann einen Teil des Vermögens der verstorbenen Person erhalten, wenn sie per Testament vom Erbe ausgeschlossen wurden. Dieser Anteil fällt allerdings geringer aus und liegt lediglich bei der Hälfte des Betrags, der ihnen ohne Enterbung zugestanden hätte. Pflichtteilsberechtigte müssen jedoch nicht abwarten, bis sich die Erb:innen über die Nachlassverteilung geeinigt haben und können ihren Anspruch bei Eintritt des Erbfalls umgehend geltend machen.

FAQ: Fragen und Antworten zum Pflichtteilsanspruch

Wann besteht kein Pflichtteilsanspruch?

Keinen Pflichtteilsanspruch haben Geschwister und Großeltern von Erblasser:innen.

Haben Nichten und Neffen einen Anspruch auf den Pflichtteil?

Nein, Nichten und Neffen können keinen Anspruch auf den Pflichtteil geltend machen.

Wie schnell muss der Pflichtteil ausgezahlt werden?

Der Pflichtteil muss grundsätzlich sofort ausgezahlt werden. Aufschub kann dann gewährt werden, wenn ein Vermögensgegenstand wie beispielsweise eine Immobilie zuerst veräußert werden muss, um einen Pflichtteil auszahlen zu können.

Wie hoch ist der Pflichtteilsanspruch trotz Testament?

Der Pflichtteilsanspruch liegt bei der Hälfte des Betrags, der Enterbten im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte.

Was passiert mit dem Pflichtteilsanspruch, wenn gesetzliche Erb:innen enterbt werden?

Wenn gesetzliche Erb:innen ohne Pflichtteilsanspruch vom Erbe ausgeschlossen werden, erhalten diese keinen Anteil am Nachlass. Gesetzliche Erb:innen mit Pflichtteilsanspruch erhalten dagegen trotz Enterbung den Pflichtteil.

Was gehört zum Pflichtteilsanspruch?

Zum Pflichtteilsanspruch gehört die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Dementsprechend erben Pflichtteilsberechtigte in jedem Fall die Hälfte dessen, was ihm gemäß der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte, wenn sie nicht enterbt worden wären.

Wer kann den Pflichtteilsanspruch geltend machen?

Der Pflichtteilsanspruch kann nur von denjenigen geltend gemacht werden, die anspruchsberechtigt sind. Hierzu gehören Kinder, Eltern und Ehepartner:in von Erblasser:innen. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Enkel- und Urenkelkinder einen Pflichtteilsanspruch geltend machen.

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Sercan Kahraman

Veröffentlicht von

Ich bin seit Jahren Privatanleger und bin bei OnlineBanken.com der Projektleiter sowie dafür zuständig, dass die Inhalte im Internet gut gefunden und oft gelesen werden.