In wirtschaftlich unsicheren Zeiten suchen Anleger:innen verstärkt nach alternativen Anlageformen, die Stabilität und regelmäßige Erträge versprechen. Eine Anlageklasse, die dabei zunehmend in den Fokus rückt, sind sogenannte Perpetual Bonds, ebenso bekannt als ewige Anleihen. Diese besonderen Wertpapiere bieten auf den ersten Blick attraktive, kontinuierliche Zinszahlungen, sind aber zugleich mit spezifischen Risiken und Besonderheiten behaftet.
Warum entscheiden sich Staaten und Unternehmen gerade in Krisenzeiten für die Ausgabe solcher Anleihen? Was macht sie für Investor:innen plötzlich so interessant? Wenn du nach guten Wegen suchst, um dein Portfolio zu diversifizieren, lohnt sich ein genauer Blick auf diese oft unterschätzte Anlageform.
Perpetual Bonds oder auch „ewige Anleihen“ sind eine spezielle Form festverzinslicher Wertpapiere. Ihr wesentliches Merkmal besteht darin, dass sie keine feste Laufzeit haben.
Anders als herkömmliche Anleihen, die zu einem bestimmten Termin fällig werden und zurückgezahlt werden müssen, bleiben Perpetual Bonds theoretisch unbegrenzt im Umlauf.
Für Anleger:innen bedeutet das: Sie erhalten laufende Zinszahlungen (Coupons) meist jährlich oder halbjährlich so lange sie die Anleihe halten oder der Emittent nicht kündigt.
Eine Verpflichtung zur Rückzahlung des eingesetzten Kapitals gibt es jedoch nicht. Zwar enthalten viele dieser Anleihen ein Kündigungsrecht seitens des Emittenten, doch dieses wird in der Praxis oft nur genutzt, wenn es wirtschaftlich vorteilhaft ist. Die Besonderheiten der Perpetual Bonds im Überblick:
Diese Eigenschaften machen Perpetual Bonds zu einem Hybrid-Investment, welches im Grunde zwischen Aktie und Anleihe abgesiedelt ist.
Die Funktionsweise der Perpetual Bonds unterscheidet sich in mehreren Punkten von klassischen Anleihen:
Staaten, Unternehmen oder Finanzinstitute begeben Perpetual Bonds in der Regel über Kapitalmärkte. Die Anleihen werden über Börsen oder im Rahmen von Privatplatzierungen an institutionelle und manchmal auch private Anleger:innen verkauft.
Die Zinsen (auch Coupons genannt) sind meistens festverzinslich für eine bestimmte Anfangsperiode (zum Beispiel fünf oder zehn Jahre), danach variabel, und mit einem Aufschlag auf einen Referenzzinssatz (z. B. EURIBOR) versehen. Alternativ sind die Zinsen von Beginn an variabel, was sie flexibler, aber auch anfälliger für Zinsschwankungen macht. Die Höhe der Zinsen ist in der Regel höher als bei vergleichbaren Anleihen mit Laufzeit, um das zusätzliche Risiko der „Ewigkeit“ zu kompensieren.
Die Emittenten haben in vielen Fällen das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung, zum Beispiel nach 5, 10 oder 30 Jahren. Dies bietet Flexibilität, denn sollten sich das Zinsumfeld oder sich die Kapitalstruktur ändern, kann der Emittent die Anleihe zurückkaufen.
Perpetual Bonds sind oft nachrangig im Insolvenzfall, insbesondere bei Banken (als Tier-1-Kapital). Das bedeutet: Im Falle einer Insolvenz stehen Inhaber:innen solcher Anleihen am Ende der Gläubigerkette, zwar vor Aktionär:innen, aber nach anderen Gläubigern.
Für Emittenten bietet diese Form der Finanzierung erhebliche Vorteile, vor allem in Krisenzeiten oder bei angespannten Staatsfinanzen. Die wesentlichen Vorzüge sind:
Während Perpetual Bonds für die Emittenten einige Vorteile haben, sollten Anleger sowohl die Chancen als auch Risiken kennen und bewerten. Die wichtigsten Vorzüge und Nachteile im Überblick sind:
In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, zum Beispiel während geopolitischer Spannungen, Finanzkrisen oder Pandemien, verändern sich die Prioritäten vieler Anleger:innen. Perpetual Bonds profitieren dabei aus mehreren Gründen von einer steigenden Nachfrage:
Wie sich Perpetual Bonds in einigen Punkten von klassischen Staatsanleihen unterscheiden, kannst du unserer folgenden Tabelle entnehmen.
Eigenschaft | Perpetual Bonds | Klassische Staatsanleihen |
Laufzeit | Unbegrenzt (ohne Fälligkeit) | Feste Laufzeit (z. B. 10 oder 30 Jahre) |
Rückzahlung | Keine Garantie auf Rückzahlung | Rückzahlung bei Fälligkeit verpflichtend |
Zinsstruktur | Oft höher, teilweise variabel | Meist festverzinslich |
Liquidität | Teils eingeschränkt | In der Regel gut handelbar |
Bonität / Sicherheit | Hängt stark vom Emittenten ab, teils risikoreicher | Häufig hohe Bonität bei AAA-Staaten |
Bilanzielle Behandlung | Teilweise als Eigenkapital | Reines Fremdkapital |
Die Geschichte der Perpetual Bonds reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Eines der bekanntesten Beispiele sind die britischen „Consols“. Diese wurden erstmals im Jahr 1751 von der britischen Regierung ausgegeben, um verschiedene frühere Staatsschulden zusammenzufassen. Das Besondere an Consols war ihre Unendlichkeit. Sie zahlten regelmäßig Zinsen, wurden jedoch nie getilgt. Die Anleihen finanzierten unter anderem Kriege wie den Siebenjährigen Krieg oder die Napoleonischen Kriege.
Auch Frankreich experimentierte mit ewigen Anleihen. Bereits im 19. Jahrhundert wurden dort sogenannte „Rentes perpétuelles“ begeben. Diese dienten der langfristigen Staatsfinanzierung und galten als stabiles Anlageinstrument, bis politische Umbrüche und Inflation ihren Wert schmälerten.
In jüngerer Zeit erlebten Perpetual Bonds eine Renaissance in Krisenzeiten. Während der Eurokrise wurden von Ökonom:innen wie Thomas Piketty oder George Soros Vorschläge eingebracht, über ewige Anleihen eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme zu realisieren. Auch im Zuge der Corona-Pandemie diskutierten Politiker:innen und Expert:innen, ob eine solche Finanzierungsform für Hilfspakete wie den EU-Wiederaufbaufonds geeignet wäre.
Angesichts multipler Krisen, angefangen vom Klimawandel über geopolitische Unsicherheiten bis hin zu wirtschaftlichen Folgen von Pandemien, steigt der Finanzierungsbedarf europäischer Staaten und Institutionen stark an. Gleichzeitig wird über neue fiskalpolitische Instrumente diskutiert, um große Herausforderungen zu bewältigen, ohne sofort zusätzliche Schuldenlasten aufzunehmen. Perpetual Bonds werden in diesem Zusammenhang als ein Weg gesehen, der finanzielle Spielraum mit langfristiger Perspektive eröffnet.
Der Vorteil: Da die Bonds kein Rückzahlungsdatum haben, erscheinen sie aus bilanzieller Sicht weniger belastend als klassische Schuldtitel mit fester Laufzeit. Diese Eigenschaft macht sie besonders attraktiv für EU-weite Initiativen. In Brüssel wird immer wieder darüber diskutiert, ob die EU nicht über ewige Anleihen Investitionen in grüne Transformation, Digitalisierung oder Verteidigung realisieren könnte, ohne die Maastricht-Kriterien direkt zu verletzen.
Die Sichtweise der Zentralbanken auf Perpetual Bonds ist differenziert. Einerseits können solche Anleihen stabilisierend wirken, da sie staatlichen Haushalten eine gewisse finanzielle Flexibilität verleihen. Andererseits stellen sie geldpolitisch eine Herausforderung dar, weil sie die Bilanzstrukturen verändern. Zentralbanken wie die EZB achten darauf, ob solche Instrumente als Eigen- oder Fremdkapital klassifiziert werden. Diese Einordnung beeinflusst die Aufnahmefähigkeit durch Banken und ihre Verwendbarkeit als Sicherheiten bei geldpolitischen Geschäften. Derzeit werden Perpetual Bonds in der Regel als Fremdkapital behandelt, es sei denn, sie enthalten spezielle Verlustbeteiligungsklauseln, die sie kapitalähnlicher machen.
Rating-Agenturen hingegen sehen Perpetual Bonds oft kritisch. Aufgrund der unendlichen Laufzeit und des Ausfallsrisikos bei Zinszahlungen können sie zu einer Verschlechterung der Bonitätseinschätzung führen. Das gilt insbesondere dann, wenn sie in großem Umfang eingesetzt werden. Für Emittenten bedeutet dies: Der Einsatz dieser Anleiheform muss gut geplant und kommuniziert sein, um Vertrauen der Märkte nicht zu gefährden.
Die Anwendungsbereiche für ewige Anleihen sind vielfältig, gerade in einem Umfeld, das zunehmend durch langfristige Herausforderungen geprägt ist. Ein zentrales Beispiel ist die Klimafinanzierung. Der Umbau der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit erfordert enorme Summen über Jahrzehnte hinweg. Perpetual Bonds könnten diese langfristigen Investitionen ermöglichen, ohne die jährlichen Haushalte zu überlasten.
Auch Pandemien wie COVID-19 oder geopolitische Krisen wie der Krieg in der Ukraine zeigen, dass schnelle und umfangreiche staatliche Reaktionen notwendig sind, und das oft über viele Jahre. Hier können Perpetual Bonds eine Antwort sein, weil sie Finanzierungsspielräume schaffen, ohne den politischen Druck sofortiger Rückzahlung zu erzeugen. Ein weiteres Feld ist die Infrastruktur. Der Aufbau resilienter Energie-, Verkehrs- oder Gesundheitsinfrastrukturen ist teuer, aber dringend nötig. Staaten und Institutionen könnten über ewige Anleihen solche Projekte finanzieren, idealerweise mit einer klaren Zweckbindung, um Akzeptanz bei Anleger:innen zu schaffen.
Für dich als private:r Anleger:in ist der Zugang zu Perpetual Bonds nicht ganz einfach. Meistens handelt es sich um Großemissionen, die institutionellen Investoren vorbehalten sind. Dennoch gibt es Möglichkeiten, über Fonds oder börsengehandelte Produkte (ETFs) indirekt in diese Anleihen-Klasse zu investieren. Beachte dabei insbesondere folgende Punkte:
Informiere dich zudem genau über die Bedingungen der Anleihe, insbesondere ob Zinszahlungen ausgesetzt werden dürfen oder ob Rückkaufoptionen bestehen. Diese Faktoren beeinflussen das Risiko deutlich.
Der Markt für ewige Anleihen steht erst am Anfang seiner möglichen Renaissance. Je nach politischer und wirtschaftlicher Entwicklung könnten Perpetual Bonds eine größere Rolle in der globalen Finanzarchitektur spielen. Einige Trends zeichnen sich bereits ab:
Abschließend lässt sich sagen, dass Perpetual Bonds zwar kein neues, aber ein wiederentdecktes Instrument für außergewöhnliche Zeiten sind.
Für dich als Anleger:in bieten sie Chancen, aber auch besondere Risiken. Eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema ist unerlässlich, bevor du eine Investitionsentscheidung triffst.
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Hier findest du Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen.
Perpetual Bonds können für Staaten eine nachhaltige Finanzierungsquelle sein, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen. Ihre Rückzahlungspflicht entfällt zwar formal, doch die Zinslast bleibt dauerhaft bestehen. In wirtschaftlich schwachen Phasen kann das zur Belastung werden. Für dich bedeutet das: Die Nachhaltigkeit hängt stark von der wirtschaftlichen Stabilität des Emittenten ab.
Wenn du eher konservativ anlegst und Wert auf Kapitalerhalt sowie stabile Erträge legst, sind klassische Staatsanleihen mit fester Laufzeit besser geeignet. Sie bieten mehr Planungssicherheit, da du genau weißt, wann dein investiertes Kapital zurückgezahlt wird. Zudem reagieren sie weniger stark auf Zinsveränderungen als ewige Anleihen und sind damit für sicherheitsorientierte Anleger:innen die risikoärmere Wahl.
Die Einführung von EU-weiten Perpetual Bonds könnte zu erheblichen politischen Spannungen führen. Länder mit strenger Haushaltsdisziplin befürchten eine „Vergemeinschaftung von Schulden“ und lehnen dauerhafte gemeinsame Finanzierungen ab. Solche Konflikte könnten die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz dieser Anleihen innerhalb der EU untergraben und damit das Vertrauen in ihre langfristige Werthaltigkeit beeinträchtigen.
Perpetual Bonds sind besonders dann sinnvoll, wenn es um Projekte mit langfristigem Nutzen geht, zum Beispiel beim Klimaschutz. Diese Investitionen wirken über Jahrzehnte, weshalb auch die Finanzierung entsprechend langfristig ausgerichtet sein sollte. Du unterstützt nachhaltige Entwicklung und erhältst im Gegenzug regelmäßige Zinsen, allerdings mit der Unsicherheit über Laufzeit und mögliche politische Kurswechsel.
Zinserhöhungen wirken sich besonders negativ auf den Marktwert von Perpetual Bonds aus. Da sie keine Rückzahlung bieten, ist der einzige Ertragswert die Zinszahlung. Wenn das allgemeine Zinsniveau steigt, verlieren bestehende Perpetual Bonds an Attraktivität und damit an Marktwert. In einem Umfeld steigender Zinsen kann dein Investment deutlich an Wert verlieren, selbst wenn du weiter Zinsen erhältst.